Milchbüchlein Buchhaltung

Das einfache Buchhaltungssystem für Freelancer in der Schweiz

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Freelancer, Selbständige und Gründer:innen in der Schweiz stoßen früher oder später auf den Begriff Milchbüchlein-Buchhaltung. Dabei handelt es sich um eine liebevoll-ironische Bezeichnung für ein vereinfachtes Buchhaltungssystem, das vor allem bei kleinen Einzelfirmen beliebt ist. In diesem Blogartikel erfährst Du, was genau dahinter steckt, woher der Begriff kommt, welche Vor- und Nachteile diese Methode bietet und für wen sie geeignet ist.

Außerdem vergleichen wir die Milchbüchlein-Methode mit anderen Buchhaltungssystemen, klären die rechtlichen Rahmenbedingungen (Schweiz vs. Deutschland/Österreich), zeigen anhand von Beispielen (inklusive Tabellen) wie so eine Buchhaltung praktisch aussieht, stellen digitale Tools vor, die dieses Modell unterstützen, und geben Dir nützliche Tipps für den Einstieg – damit Deiner einfachen Buchführung nichts im Wege steht.

Was ist Milchbüchlein-Buchhaltung?

Die Milchbüchlein-Buchhaltung – in der Schweiz auch Milchbüechli-Rechnung genannt – bezeichnet eine einfache Buchführung, bei der jede Einnahme und Ausgabe nur einmal erfasst wird. Es handelt sich im Grunde um eine einfache Einnahmen-Ausgaben-Rechnung (ähnlich der Einnahmen-Überschuss-Rechnung, EÜR, in Deutschland). Man führt also ein simples Verzeichnis aller betrieblichen Einnahmen und Ausgaben, meist in chronologischer Reihenfolge nach dem Datum des Geldflusses (sogenannte Ist-Methode oder Cash-Prinzip). Am Ende lässt sich daraus direkt ablesen, ob ein Gewinn oder Verlust erzielt wurde – komplexe Bilanzierungen entfallen.

Wichtig: Auch bei der Milchbüchlein-Methode gelten die grundlegenden Prinzipien ordnungsmäßiger Buchführung. Das heißt, “keine Buchung ohne Beleg” – jede verbuchte Einnahme oder Ausgabe muss durch eine Quittung oder Rechnung nachweisbar sein. Zudem sollte die Aufstellung vollständig, wahrheitsgetreu und übersichtlich erfolgen, sodass ein sachverständiger Dritter sich schnell einen Überblick verschaffen könnte. Die Milchbüchlein-Buchhaltung ist also einfach, aber nicht nachlässig: Alle Geschäftsvorfälle müssen ordentlich dokumentiert werden.

Herkunft des Begriffs und kultureller Hintergrund

Der Begriff „Milchbüchleinrechnung“ hat in der Schweiz einen leicht scherzhaften Unterton. Ähnlich wie der Ausdruck „Milchmädchenrechnung“ in Deutschland, wird er manchmal verwendet, um eine allzu naive oder simple Berechnung zu beschreiben.

Wörtlich bezieht er sich auf ein kleines Heft (Büchlein), wie es früher vielleicht im Milchhandel genutzt wurde – man stellt sich bildlich ein Bäuerchen oder eine Milchhändlerin vor, die ihre Einnahmen und Ausgaben rund um die Milchlieferungen in ein kleines Notizbuch eintragen.

Im heutigen Gebrauch ist die Milchbüchlein-Buchhaltung jedoch keineswegs negativ gemeint, sondern bezeichnet offiziell die erlaubte vereinfachte Buchführung für Kleinunternehmer. Seit der Revision des Schweizer Rechnungslegungsrechts 2013 sind kleine Unternehmen nicht mehr verpflichtet, ihre Bücher doppelt zu führen; stattdessen genügt eine einfache Buchhaltung.

Der Ausdruck hat sich etabliert, weil diese Form der Buchhaltung so simpel ist, dass sie „in ein Milchbüchlein passt“. Dennoch schwingt bisweilen ein wenig Ironie mit – etwa wenn größere Geschäftsmodelle versuchen würden, mit einer Milchbüchleinrechnung auszukommen, was dann natürlich als unzureichend belächelt wird.

Fazit zum Begriff: In der Schweiz ist Milchbüchlein-Buchhaltung ein gängiger Begriff für kleine Einzelfirmen-Buchhaltung auf einfachstem Niveau – kulturell verwurzelt und mit einem Augenzwinkern, aber rechtlich anerkannt für bestimmte Unternehmen.

Warum nutzen viele Selbständige in der Schweiz dieses vereinfachte System?

Der Hauptgrund: Weil sie es dürfen und es ihnen Arbeit erspart. Die Schweizer Gesetzgebung ermöglicht Einzelunternehmen und Personengesellschaften mit geringer Umsatzgröße eine stark vereinfachte Buchführung. Gemäß Obligationenrecht (OR) Art. 957 müssen Einzelunternehmen mit weniger als CHF 500’000 Umsatz pro Jahr mindestens eine vereinfachte Buchhaltung führen, die nur die Einnahmen, Ausgaben und die Vermögenslage umfasst.

Für Kleinstunternehmen ist also rein rechtlich gar nicht mehr erforderlich. Warum also freiwillig mehr Aufwand betreiben? Viele Solo-Selbständige – Freelancer, Berater, Handwerker etc. – greifen daher zur Milchbüchlein-Methode, um bürokratischen Aufwand gering zu halten und sich auf ihr Kerngeschäft konzentrieren zu können.

Ein weiterer Grund ist die Kosten- und Zeitersparnis. Wer seine Buchhaltung einfach hält, kann sie oft selbst erledigen oder benötigt weniger Hilfe vom Treuhänder.

Es fallen keine komplexen Buchungssätze an, man braucht keine tiefgehenden Buchhaltungskenntnisse und verbringt weniger Zeit mit administrativen Aufgaben.

Gerade in der Startphase eines Geschäfts sind Ressourcen knapp – da ist es verlockend, auf ein System zu setzen, das „trivial ist und keinerlei Buchhaltungs-Know-how voraussetzt“. Die Einfachheit dieser Methode macht es auch Unternehmern ohne finanzielle Ausbildung möglich, ihre Bücher zu führen.

Zudem behalten viele Ein-Personen-Unternehmen auch ohne ausgefeilte Buchhaltung gut den Überblick über ihre Finanzen. Wenn die Anzahl an monatlichen Buchungen überschaubar ist, reichen oft ein separates Geschäftskonto und ein einfaches Spreadsheet, um stets zu wissen, was man verdient und wofür man Geld ausgibt.

Komplexe Controlling-Instrumente werden in dieser Größenordnung selten benötigt. Kurz gesagt: Die Milchbüchlein-Buchhaltung erfüllt den Zweck, nämlich die Einkünfte fürs Steueramt zu dokumentieren, ohne Schnickschnack drumherum.

Vergleich mit anderen Buchhaltungssystemen

Wie unterscheidet sich die Milchbüchlein-Buchhaltung von anderen Systemen, insbesondere der doppelten Buchhaltung und den in Deutschland/Österreich üblichen Verfahren? Hier die wichtigsten Punkte im Vergleich:

Einfache vs. doppelte Buchhaltung:

Bei der einfachen Milchbüchlein-Methode wird jeder Geschäftsfall nur einmal erfasst – entweder als Einnahme oder als Ausgabe, zum Zeitpunkt des tatsächlichen Geldflusses (Cash-Prinzip, Ist-Verbuchung). Bei der doppelten Buchführung wird hingegen jeder Vorgang doppelt verbucht: zum einen auf dem Konto, das betroffen ist, und zum anderen auf dem Gegenkonto (Soll an Haben).

Die doppelte Buchhaltung arbeitet mit einem Kontenplan, Buchungssätzen und oft mit Periodenabgrenzungen (Soll-Prinzip), was deutlich mehr Fachwissen erfordert. Die Milchbüchlein-Buchhaltung verzichtet auf all diese Komplexität – kein Kontenrahmen, keine Debitoren-/Kreditorenbuchhaltung, keine Abschreibungen oder Transitorien im klassischen Sinn. Dadurch ist sie für Nicht-Buchhalter viel leichter verständlich.

Umfang der Informationen:

Ein einfaches Einnahmen-Ausgaben-Verzeichnis zeigt im Wesentlichen nur den jährlichen Gewinn oder Verlust. Es liefert nicht so detaillierte Einblicke wie eine doppelte Buchhaltung, die etwa eine vollständige Bilanz und Erfolgsrechnung mit Kontenabstimmungen ermöglicht.

Wer nur eine Milchbüchleinrechnung führt, kennt zwar seinen Überschuss, aber z.B. nicht unbedingt die genaue Vermögenssituation in Form einer Bilanz (obwohl zumindest eine Aufstellung der Aktiven/Passiven am Jahresende empfehlenswert ist).

Für interne Analysen oder gegenüber Banken/Investoren bietet die doppelte Buchführung erheblich mehr Informationen und Auswertungsmöglichkeiten.

Rechnungslegung in Deutschland und Österreich:

Die Milchbüchlein-Buchhaltung entspricht inhaltlich der Einnahmen-Überschuss-Rechnung (EÜR) in Deutschland bzw. der Einnahmen-Ausgaben-Rechnung in Österreich.

Auch dort dürfen kleine Unternehmen und Freiberufler ihre Gewinnermittlung in vereinfachter Form nach dem Zufluss-Abfluss-Prinzip machen. Die Schwellenwerte sind allerdings unterschiedlich: In Deutschland z.B. können Nicht-Kaufleute und Freiberufler immer eine EÜR machen, während eingetragene Kaufleute ab gewissen Umsatz-/Gewinngrenzen zur doppelten Buchführung verpflichtet werden (derzeit >600.000 € Umsatz oder >60.000 € Gewinn).

In Österreich gilt nach dem Unternehmensgesetzbuch eine Grenze von ca. 700.000 € Umsatz in zwei aufeinanderfolgenden Jahren, ab der eine doppelte Buchhaltung geführt werden muss. Fazit: Das Prinzip der einfachen Einnahmen-Ausgaben-Rechnung ist im gesamten DACH-Raum bekannt, die Details der Anwendung hängen aber vom nationalen Recht ab.

Zusammengefasst ist die Milchbüchlein-Buchhaltung die einfachste legale Form der Buchführung für Kleinunternehmen. Sie steht im Kontrast zur doppischen (doppelten) Buchhaltung, die zwar umfangreicher und genauer ist, aber für sehr kleine Betriebe oft als „mit Kanonen auf Spatzen geschossen“ empfunden wird.

Vor- und Nachteile dieser Methode

Wie jedes System hat auch die Milchbüchlein-Buchhaltung bestimmte Vorteile – aber eben auch Nachteile. Hier ein Überblick:

Vorteile:

  • Einfachheit und Verständlichkeit: Im Vergleich zur komplexen doppelten Buchführung ist die Milchbüchlein-Methode sehr leicht zu begreifen und umzusetzen. Man muss keine Soll/Haben-Buchungen beherrschen, was gerade Einsteigern viel Kopfzerbrechen erspart.
  • Zeit- und Kostenersparnis: Weil weniger komplizierte Arbeitsschritte anfallen, braucht man weniger Zeit für die Buchhaltung und spart sich gegebenenfalls teure externe Buchhalter. Viele kleine Unternehmer können die Einnahmen-Ausgaben-Aufzeichnung selbst führen und damit Geld sparen.
  • Praxistauglich für kleine Betriebe: Für Solo-Selbständige und Kleinstfirmen mit überschaubarem Zahlungsverkehr bietet die einfache Buchführung einen vollkommen ausreichenden Rahmen, um die Finanzen zu managen. Man erfüllt die gesetzlichen Pflichten, ohne sich in Details zu verlieren, und behält trotzdem den Überblick.

Nachteile:

  • Geringerer Informationsgehalt: Die einfache Buchführung liefert nicht die Detailtiefe einer doppelten. Man erfährt z.B. nicht, welche Kategorien von Ausgaben den größten Anteil haben oder wie sich Forderungen und Verbindlichkeiten entwickeln, da solche Posten gar nicht separat erfasst werden. Insgesamt steht weniger finanzielle Kennzahlenmaterial für Analysen zur Verfügung.
  • Weniger Kontrollmöglichkeiten: Durch die einfache Erfassung fehlt ein internes Kontrollsystem (kein automatischer Abgleich Soll/Haben). Es kann schwieriger sein, Fehler oder Unstimmigkeiten aufzuspüren. Ein Zahlendreher oder vergessener Beleg fällt nicht so leicht auf, da keine doppelte Gegenprüfung erfolgt. Die Gefahr von Ungenauigkeiten ist höher.
  • Nicht geeignet für größere oder komplexere Unternehmen: Spätestens wenn ein Unternehmen wächst und die Geschäftsvorfälle zahlreicher und vielfältiger werden, stößt die Milchbüchlein-Buchhaltung an Grenzen. Für eine AG oder GmbH ist sie ohnehin nicht zugelassen, und auch für größere Einzelfirmen mit komplexen Transaktionen reicht sie im Normalfall nicht aus, um alle Finanzinformationen angemessen abzubilden. Wer z.B. mit viel Warenlager, mehreren Bankkonten oder unterschiedlichen Geschäftszweigen agiert, wird mit einer simplen Einnahmen-Ausgaben-Liste nicht glücklich.

Für wen ist die Milchbüchlein-Buchhaltung geeignet?

Grundsätzlich: Für Einzelunternehmer, Freiberufler und Personengesellschaften, die klein sind – genauer gesagt einen Jahresumsatz von unter CHF 500’000 haben. In diesem Fall dürfen (und müssen) sie keine aufwändige Buchführung betreiben, sondern können die vereinfachte Variante wählen. Typische Beispiele: Freelancer wie Webdesigner, Grafiker, Journalisten, Berater; Handwerker mit Einmannbetrieb; kleine Online-Shop-Betreiber mit geringem Umsatz; nebenberuflich Selbständige; Startups in den allerersten Jahren, solange die Umsätze noch niedrig sind. Auch Vereine, die nicht im Handelsregister eingetragen sein müssen, dürfen eine Milchbüchleinrechnung führen.

Nicht geeignet ist dieses System für größere Unternehmen oder juristische Personen. Kapitalgesellschaften wie GmbH oder AG müssen laut Gesetz immer doppelt buchen, unabhängig vom Umsatz. Ebenso kommt es für kleine Firmen an Grenzen, sobald die Geschäfte anspruchsvoller werden – z.B. bei deutlich steigendem Umsatz (> CHF 100’000) und damit verbundenen Mehrwertsteuer-Pflichten (siehe nächster Abschnitt), bei vielen Barverkäufen (Kassenführung) oder wenn man externe Geldgeber hat, die detaillierte Abschlüsse sehen wollen.

In solchen Fällen kann es sinnvoll sein, frühzeitig auf die doppelte Buchhaltung umzusteigen oder zumindest einen Treuhänder beizuziehen. Experten empfehlen etwa, spätestens ab Erreichen der MWST-Pflicht (Umsatz > 100’000 CHF) zu prüfen, ob die Milchbüchlein-Methode noch praktikabel ist – denn eine korrekte MWST-Abrechnung erfordert oftmals genauere Aufzeichnungen, die mit einer bloßen Einnahmen-Ausgaben-Liste schwerer sicherzustellen sind.

Kurz gesagt: Die Milchbüchlein-Buchhaltung eignet sich hervorragend für sehr kleine, überschaubare Betriebe ohne komplexe Vorgänge. Sie ist ideal in der Gründungsphase und für alle, die „nur fürs Finanzamt“ buchen, aber kein internes Controlling benötigen. Wer jedoch Wachstum anpeilt, viele offene Rechnungen verwalten muss oder gesetzlich anspruchsvollere Vorgaben hat, der sollte mittelfristig auf ein umfangreicheres System umsteigen.

Gesetzliche Rahmenbedingungen (Schweiz vs. Deutschland/Österreich)

In der Schweiz ist die einfache Buchführung fest im Obligationenrecht verankert. Art. 957 OR definiert, wer buchführungspflichtig ist. Relevant sind insbesondere zwei Schwellen:

  • Umsatz ab CHF 500’000: Ab dieser Grenze besteht volle Buchführungspflicht, d.h. es müssen eine doppelte Buchhaltung mit Bilanz, Erfolgsrechnung und Inventar erstellt werden. Unterhalb dieser Grenze reicht die einfache Milchbüchlein-Buchhaltung aus (für Einzelunternehmen und Personengesellschaften). Somit ist 500’000 Franken die magische Zahl – darüber zwingend „große“ Buchhaltung, darunter „kleine“ Buchhaltung möglich.

  • Umsatz ab CHF 100’000: Ab hier muss sich ein Einzelunternehmen ins Handelsregister eintragen (Pflicht zur Registrierung). Mit dem Handelsregistereintrag geht in der Regel auch die MWST-Pflicht einher, da diese ebenfalls bei 100’000 Umsatz greift (sofern man nicht freiwillig schon früher der MWST unterstellt ist). Wichtig: Die Handelsregistereintragung ist nicht gleichbedeutend mit doppelter Buchführung – eine eingetragene Einzelfirma zwischen 100k und 500k Umsatz darf weiterhin Milchbüchlein-Rechnung führen, muss aber zusätzlich die Mehrwertsteuer korrekt abrechnen. Dabei kann sie zwischen der vereinfachten Saldosteuersatz-Methode (Pauschalierung) und der effektiven MWST-Methode wählen. Viele Kleinstunternehmer nutzen die erstgenannte Variante, da sie zur einfachen Buchhaltung passt. Wer jedoch die effektive MWST-Abrechnung wählt, hat ohnehin einen höheren buchhalterischen Aufwand, so dass dann ein Wechsel zur doppelten Buchhaltung sinnvoll sein kann.

Neben diesen Umsatzgrenzen gelten weitere allgemeine Vorschriften: Auch eine Milchbüchlein-Buchhaltung muss den Grundsätzen ordnungsmäßiger Buchführung genügen, wie bereits erwähnt. Dazu zählt z.B. die Pflicht, Belege 10 Jahre aufzubewahren (Art. 958f OR). Außerdem darf die Buchhaltung nicht einfach „freestyle“ erfolgen – es soll schon eine systematische Aufzeichnung sein, aus der Datum, Betrag, Geschäftspartner und Zweck der Zahlung hervorgehen. In der Praxis bedeutet das: Ein ordentlich geführtes Einnahmen-Ausgaben-Journal mit fortlaufenden Belegnummern und sauber abgelegten Quittungen wird erwartet, keine Zettelwirtschaft.

Deutschland und Österreich: In diesen Ländern ist das System vergleichbar, aber es gibt einige Unterschiede in den Grenzwerten und Formalitäten. In Deutschland sind alle eingetragenen Kaufleute zwar per Handelsgesetzbuch (HGB) buchführungspflichtig, jedoch greift §241a HGB eine Befreiung für Einzelkaufleute, die zwei Jahre in Folge unter 600.000 € Umsatz und 60.000 € Gewinn bleiben – sie brauchen keine doppelte Buchführung, sondern können eine einfache EÜR fürs Finanzamt erstellen. Freiberufler (Ärzte, Rechtsanwälte, Künstler, IT-Berater etc.) gelten ohnehin nicht als Kaufleute und dürfen immer eine EÜR nutzen, egal wie hoch ihr Gewinn ist. Die EÜR-Regeln sind in der Abgabenordnung/Einkommensteuergesetz festgelegt, in der Praxis sehr ähnlich zur Schweizer Milchbüchleinrechnung: Aufzeichnung der Einnahmen und Betriebsausgaben nach Zahlungsfluss.

In Österreich bestimmt das Unternehmensrecht, dass Kapitalgesellschaften und große Unternehmer doppelt buchen müssen. Einzelunternehmer unterliegen der doppelten Buchführungspflicht erst ab >700.000 € Umsatz in zwei aufeinanderfolgenden Jahren (oder >1 Mio. in einem Jahr). Darunter können sie eine Einnahmen-Ausgaben-Rechnung führen. Steuerlich relevant ist dort ebenfalls die Gewinnermittlung via E/A-Rechnung (§ 4 Abs. 3 EStG) für kleine Betriebe. Die Pflicht zur Umsatzsteuer (MWSt) Registrierung besteht wie in der Schweiz ab ca. 35.000 € Jahresumsatz, was ebenfalls beachtet werden muss ([PDF] Die Einnahmen-Ausgaben-Rechnung - ABGABEN UND STEUERN) – kleine Unternehmen darunter sind umsatzsteuerbefreit und haben entsprechend weniger Aufzeichnungspflichten.

Zusammengefasst: In allen DACH-Ländern gibt es die Möglichkeit der vereinfachten Buchhaltung für kleine Unternehmen. Die Schweizer Milchbüchlein-Buchhaltung ist ein Sonderfallbegriff, aber inhaltlich vergleichbar mit der EÜR (Deutschland) und E/A-Rechnung (Österreich). Wichtig ist, die jeweils geltenden Umsatzgrenzen und Pflichten zu kennen. Wer grenzüberschreitend tätig ist, sollte sich an den lokalen Vorgaben orientieren und ggf. beraten lassen.

Praktische Beispiele: Wie sieht eine Milchbüchlein-Buchhaltung aus?

Schauen wir uns nun konkret an, wie so eine einfache Buchhaltung geführt werden kann. Im Grunde erstellt man zwei Listen: eine für alle betrieblichen Einnahmen und eine für alle Ausgaben. Diese kann man z.B. in Excel führen oder in einem Notizbuch – entscheidend ist, dass alle relevanten Informationen erfasst werden. Üblich sind folgende Spalten: Datum, Belegnummer, Beschreibung (worum handelt es sich), und Betrag. Bei getrennten Listen für Einnahmen und Ausgaben genügt natürlich eine Spalte für den Betrag; führt man eine gemeinsame Liste, würde man Einnahmen und Ausgaben in getrennten Spalten oder mit Vorzeichen (+/-) erfassen.

Zur Veranschaulichung ein einfaches fiktives Beispiel eines Webdesign-Freelancers für den Monat Januar:

Einnahmen (Beispiel)

Datum Beleg-Nr. Beschreibung Einnahme (CHF)
05.01.2025 E-001 Website-Projekt für Kunde Müller 2’500.-
18.01.2025 E-002 Logo-Design für Kunde Schmidt 1’200.-
28.01.2025 E-003 Wartungsvertrag (Januar) 300.-
Summe Januar 4’000.-

Ausgaben (Beispiel)

Datum Beleg-Nr. Beschreibung Ausgabe (CHF)
02.01.2025 A-1001 Neuer Laptop (Arbeitsinstrument) 1’500.-
10.01.2025 A-1002 Software-Lizenz Adobe Creative Cloud (Monat) 60.-
15.01.2025 A-1003 Webhosting & Domain (Jahresgebühr) 120.-
20.01.2025 A-1004 Büromaterial (Papier, Druckertinte) 45.-
25.01.2025 A-1005 Geschäftsessen mit Kunde 180.-
Summe Januar 1’905.-

In der Einnahmenliste sind alle Erlöse des Monats aufgeführt, in der Ausgabenliste alle betrieblichen Aufwände. Am Monatsende (oder Jahr) kann man die Summen gegenüberstellen: Im Januar hätte unser Beispiel-Freelancer 4’000 CHF eingenommen und 1’905 CHF ausgegeben. Der vorläufige Gewinn für diesen Zeitraum liegt also bei 2’095 CHF. Genau diese Differenz ist das, was später als Einkommen versteuert werden muss.

Ein paar Dinge sind im Beispiel zu beachten:

  • Jede Position hat eine Belegnummer: E-001, E-002,... für Einnahmen und A-1001, A-1002,... für Ausgaben. Diese Nummern sollten mit den physischen oder digitalen Belegen übereinstimmen (Rechnungsnummern bzw. fortlaufend vergebene Quittungsnummern), damit man später jeden Posten belegen kann (Stichwort: Nachprüfbarkeit).
  • Die Beschreibung enthält ausreichende Details, um den Geschäftsfall zu verstehen (z.B. “Website-Projekt für Kunde Müller” oder “Laptop als Arbeitsinstrument”). So weiß auch das Steueramt im Zweifel, was Sache war.
  • Verbucht wurde immer am Datum des Geldflusses: z.B. Einnahme am 05.01. als der Kunde Müller bezahlt hat. (Wenn man vorher eine Rechnung geschickt hat, könnte man sie optional schon als offene Forderung notieren, aber für die Milchbüchleinrechnung zählt strikt der Zahlungseingang.)
  • Alle privaten Ausgaben fehlen natürlich. Kauft der Freelancer privat einen Fernseher, taucht das hier nicht auf. Nicht absetzbare Kosten werden gar nicht erst erfasst.

So eine Tabelle kann man für jeden Monat führen oder fortlaufend fürs ganze Jahr. Viele machen es monatlich, weil es übersichtlicher ist und man monatliche Zwischenstände hat. Am Jahresende zieht man einen Schlussstrich und bildet die Summe aller Einnahmen und Ausgaben des Jahres – daraus ergibt sich der Jahresgewinn. Zusätzlich sollte man am Jahresende noch eine Liste seines Vermögens und der Schulden erstellen (z.B. Bankkontostand, offene Kundenrechnungen, grösseres Anlagevermögen wie Auto oder Maschinen, und laufende Schulden wie Darlehen).

Dies ist zwar in der einfachen Buchhaltung nicht so formal vorgeschrieben wie bei der Bilanz, aber das OR spricht von der Vermögenslage, die festgehalten werden soll. Eine einfache Aufstellung „Aktiven vs. Passiven“ schadet also nicht, um vollständig zu sein.

Hinweis: Theoretisch könnte man als Minimalist sogar ganz auf Tabellen verzichten und einfach alle Belege sammeln. Das Schweizer KMU-Portal meint scherzhaft: „Theoretisch würde es genügen, wenn Sie alle Quittungen und Belege einigermassen geordnet aufbewahren und bei einer Steuerkontrolle dem Beamten vorweisen.“ – Diese sogenannte Schuhschachtel-Buchhaltung (Belege in der Schachtel sammeln) kommt in der Praxis tatsächlich vor, ist aber riskant und unprofessionell. Spätestens für die Steuererklärung muss man sowieso die Zahlen addieren. Also besser gleich ordentlich in einer Liste führen, dann erspart man sich Ärger und behält selbst den Überblick.

Digitale Tools und Softwarelösungen für die Milchbüchlein-Buchhaltung

Viele Selbständige starten ihre Buchhaltung schlicht mit Excel oder Google Sheets – und das ist auch völlig in Ordnung. Aus gesetzlicher Sicht reicht eine Excel-Vorlage völlig aus, um die einfache Buchhaltung zu führen. Es gibt sogar vorgefertigte Excel-Templates von Buchhaltungsprogrammen oder Beratungsstellen, die man nutzen kann (zum Beispiel stellt Bexio auf seiner Webseite eine kostenlose Vorlage für Einnahmen-/Ausgabenlisten bereit). Wichtig ist bei der Handhabung mit Excel, sorgfältig vorzugehen, denn manuelle Führung erhöht natürlich die Fehleranfälligkeit – also Formeln prüfen, Beträge kontrollieren und keine Zeile vergessen.

Darüber hinaus stehen zahlreiche digitale Tools bereit, welche die Milchbüchlein-Buchhaltung erleichtern oder automatisieren.

Digitale Tools und Softwarelösungen für die Milchbüchlein-Buchhaltung

Tipps für den Einstieg und häufige Fehler

Abschließend einige praktische Tipps, wie Du Deine Milchbüchlein-Buchhaltung erfolgreich aufsetzt, und welche Stolperfallen Du vermeiden solltest:

  • Trenne Geschäftliches und Privates strikt: Eröffne nach Möglichkeit ein separates Geschäftskonto und wickele sämtliche betrieblichen Zahlungen darüber ab. Das macht die Aufzeichnung viel einfacher und hilft auch dem Steueramt im Fall einer Prüfung. Private Einkäufe oder Vergnügungen haben in der Buchhaltung nichts zu suchen – die neue PlayStation oder Ferien auf Ibiza kann man nicht als Geschäftsausgabe absetzen, auch wenn dort nebenbei ein paar Fotos gemacht wurden. Solche Posten würden bei einer Kontrolle sofort rausfallen (und schlimmstenfalls den Verdacht der Steuerhinterziehung erregen). Also: Geschäft bleibt Geschäft.

  • Keine Buchung ohne Beleg: Gewöhne Dir an, für jede Einnahme und Ausgabe einen Beleg aufzubewahren – sei es eine Rechnung, Quittung, Kassenzettel oder Notiz. Nummeriere die Belege und ordne sie (digital oder in einem Ordner) systematisch. Fehlt ein Beleg, darf der Posten eigentlich nicht verbucht werden. Im Zweifelsfall lieber einen Eigenbeleg erstellen als gar keinen Nachweis haben. Bei einer einfachen Buchhaltung würde zwar theoretisch eine Schuhschachtel voller Belege genüge, doch praktisch solltest Du zumindest die Summen in einer Liste erfassen (siehe Beispiel) und die Belege griffbereit halten. Tipp: Viele nutzen heute das Smartphone, um Belege sofort abzufotografieren und digital abzulegen.

  • Führe die Buchhaltung regelmäßig: Lass’ nicht alles bis zum Jahresende liegen! Erfahrungsgemäß schleichen sich viel weniger Fehler ein, wenn man *regelmäßig (z.B. monatlich) seine Bücher aktualisiert. Nimm Dir z.B. an jedem ersten Wochenende im Monat eine halbe Stunde Zeit, um alle Buchungen des Vormonats einzutragen. So hast Du stets einen aktuellen Überblick und gerätst nicht in Panik, wenn die Steuererklärung ansteht. Regelmäßige Updates helfen auch, nichts zu vergessen – man hat die Belege zeitnah zur Hand und erinnert sich an alle Vorgänge. Wie Bexio empfiehlt: *Machen Sie es sich zur Gewohnheit, Ihre Bücher regelmäßig zu überprüfen – etwa monatlich.

  • Abgleich mit Bank/Kasse: Prüfe periodisch, ob Dein Einnahmen-/Ausgabenjournal mit den Kontoauszügen übereinstimmt. Ein schneller Abgleich mit den Bankauszügen zeigt sofort, ob Du vielleicht eine Einnahme übersehen hast oder ein Betrag falsch erfasst wurd. Gleiches gilt, falls Du eine Bargeld-Kasse hast: Zähle das Bargeld und vergleiche es mit dem Kassenbuch. Differenzen weisen auf Fehler hin (oder im schlimmsten Fall auf Geldschwund).

  • Kenntnisse aneignen (zumindest Basics): Obwohl die Milchbüchlein-Buchhaltung simpel ist, skilliere Dich ein wenig in Finanz-Basics. Lerne z.B., welche Ausgaben steuerlich abzugsfähig sind und welche nicht – so vermeidest Du Fehler wie das Verbuchen von privaten oder nicht anerkannten Kosten. Es gibt gute Ratgeber und offizielle Webseiten mit Info (z.B. das KMU-Portal) sowie Kurse für Buchhaltungsanfänger. Wenn Du dich mit den Grundlagen auskennst, nutzt Du die Vorteile des Systems optimal aus und gerätst nicht in Fallen.

  • Software oder Profi hinzuziehen, wenn nötig: Scheue Dich nicht, bei Unsicherheiten einen Treuhänder (Steuerberater) zu fragen – gerade am Jahresende für den Abschluss oder bei der MWST-Abrechnung. Ein kurzer Check durch einen Profi kann Dir bestätigen, dass alles stimmt, oder auf Probleme hinweisen, bevor das Steueramt es tu. Alternativ kann eine Buchhaltungssoftware viele potenzielle Fehlerquellen eliminieren, indem sie z.B. automatisch summiert, Formate vorgibt und Warnungen ausgibt, wenn etwas unplausibel is. Überlege also, ob ein kleines Investment in Software oder Beratung Dir Zeit und Nerven spart.

  • Behalte Schwellenwerte im Blick: Überwache Deinen Umsatz im Jahresverlauf. Sollte absehbar sein, dass Du die 100’000 CHF Umsatzgrenze überschreitest, bereite Dich auf die MWST-Pflicht vor (Registrierung ggf. freiwillig schon vorher, Einarbeitung in MWST-Abrechnung). Ähnlich, wenn Dein Geschäft stark wächst Richtung 500’000 CHF Umsatz – dann steht der Wechsel zur doppelten Buchhaltung ins Haus. Es ist besser, hier proaktiv zu handeln, als am Ende des Jahres überrascht zu werden und in Hektik die Buchhaltung umstellen zu müssen.

  • Steuerehrlichkeit ist das A und O: Die einfache Buchhaltung verleitet vielleicht manche dazu zu denken, man könnte etwas unter den Teppich kehren. Lass es bleiben – *jede nicht angegebene Einnahme oder jeder unrechtmäßige Abzug einer privaten Ausgabe ist Steuerhinterziehung. Die vereinfachte Methode ist ein Privileg für kleine Unternehmer, kein Freibrief für kreative Tricks. Also halte Dich an die Regeln, dann hast Du nichts zu befürchten.

Zum Schluss

Die Milchbüchlein-Buchhaltung soll Dir das Leben als Freelancer oder Gründer:in leichter machen, nicht schwerer. Wenn Du die obigen Tipps beherzigst, schaffst Du eine ordentliche, gesetzeskonforme Buchführung mit minimalem Aufwand. Und bedenke – das Ziel ist nicht, dem Staat möglichst viel zu präsentieren, sondern Deinen tatsächlichen Gewinn korrekt zu ermitteln, dabei alle legitimen Ausgaben abzuziehen und am Ende vielleicht sogar einen besseren Überblick über Deine eigene finanzielle Performance zu haben. In diesem Sinne: Viel Erfolg mit Deinem “Milchbüchlein” und Deinem Business!