Vaterschaftsurlaub in der Schweiz: Leitfaden und Erläuterungen 2026

Der Weg der Schweiz zu moderner Elternschaft
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The Global Shift and Swiss Standing

In den letzten Jahrzehnten hat sich in ganz Europa eine stille Revolution vollzogen: die schrittweise Einführung des Vaterschaftsurlaubs, genauer gesagt des Elternurlaubs. Während Schweden stolz Väter präsentiert, die während der Arbeitszeit Kinderwagen schieben, und Spanien beiden Elternteilen einen gleichberechtigten, nicht übertragbaren Urlaub gewährt, ist die Schweiz behutsamer vorgegangen. Der Weg zur Anerkennung der Rolle des Vaters in diesen entscheidenden ersten Monaten war geprägt von philosophischen Debatten, politischen Kompromissen und einem allmählichen gesellschaftlichen Wandel.

Das Konzept des Vaterschaftsurlaubs stellt einen tiefgreifenden Wandel gegenüber traditionellen Familienmodellen dar. Historisch gesehen konzentrierte sich der Mutterschutz ausschließlich auf die biologische Erholung der Mütter nach der Geburt, während von Vätern erwartet wurde, dass sie unmittelbar nach der Geburt ihres Kindes wieder arbeiten gehen. Das moderne Verständnis erkennt jedoch an, dass familiäre Bindungen, gemeinsame Kinderbetreuung und Gleichstellung der Geschlechter im privaten wie im beruflichen Bereich Maßnahmen erfordern, die Väter von Anfang an einbeziehen.

In diesem umfassenden Leitfaden zeichnen wir nach, wie sich die Idee der Vaterschaftszeit in Europa entwickelt hat, untersuchen, wie die Schweiz auf diese sich wandelnden Normen reagiert hat, und geben konkrete Antworten darauf, was werdende Väter heute erwarten können – und was sich morgen ändern könnte. Ob Sie als werdende Eltern Ihre Vaterschaftszeit planen oder sich einfach für die Entwicklung der Sozialpolitik interessieren: Dieser Artikel liefert Ihnen den entscheidenden Kontext, um die einzigartige Stellung der Schweiz in der europäischen Familienpolitik zu verstehen.

Vaterschaftsurlaub 👨 in der Schweiz

Die aktuelle Landschaft

Der aktuelle Rechtsrahmen

Die aktuelle Vaterschaftsurlaubsregelung in der Schweiz zeigt, was ein politischer Kompromiss im Jahr 2020 erreichen konnte. Nach einer Volksabstimmung im September 2020 führte die Schweiz einen landesweiten Anspruch auf zweiwöchigen Vaterschaftsurlaub für erwerbstätige Väter ein. Dieser Urlaub, der wochenweise oder tageweise genommen werden kann, muss innerhalb von sechs Monaten nach der Geburt des Kindes in Anspruch genommen werden und wird mit 80 % des durchschnittlichen Einkommens des Vaters vergütet, maximal jedoch mit CHF 220 pro Tag. Bei einem regulären zweiwöchigen Urlaub entspricht dies einer maximalen Vergütung von CHF 3.080.

Diese Regelung gilt speziell für erwerbstätige Väter, einschließlich derjenigen, die mit der Mutter des Kindes verheiratet sind, Partner in einer eingetragenen Lebenspartnerschaft sind oder die Vaterschaft anerkannt haben. Selbstständige sind von dieser bundesweiten Regelung ausgeschlossen, wodurch nach Ansicht vieler Kritiker eine erhebliche Lücke im sozialen Sicherheitsnetz entsteht.

Neue kantonale Innovationen

Während die Bundesrichtlinie einen Standard festlegt, deuten jüngste Entwicklungen auf kantonaler und kommunaler Ebene auf ein wachsendes Bewusstsein hin, dass zwei Wochen möglicherweise nicht ausreichen. In einem wegweisenden Schritt beschloss die Stadt Fribourg im April 2024, ihren Beschäftigten im öffentlichen Dienst 40 Tage Vaterschaftsurlaub zu gewähren – fast dreimal so viel wie der Bundesstandard. Bemerkenswert ist, dass diese Regelung nun „Urlaub des zweiten Elternteils“ heißt, um auch gleichgeschlechtliche Paare einzuschließen, bei denen die Ehefrau des Kindes den Urlaub nimmt.

Diese kantonale Initiative bedeutet mehr als nur einen verlängerten Urlaub; sie signalisiert einen Paradigmenwechsel hin zu der Erkenntnis, dass elterliche Verantwortung gleichberechtigter geteilt werden sollte und dass die Politik diese Umverteilung aktiv fördern kann. Während andere Kantone das Fribourg-Experiment beobachten, erwarten viele, dass ähnliche Maßnahmen in fortschrittlicheren Regionen eingeführt werden, was möglicherweise zu einem Flickenteppich an Vaterschaftsurlaubsansprüchen in der ganzen Schweiz führen könnte, bis die Bundespolitik nachzieht.

Wie die Idee in Europa entstand

Ein historischer Kontext

Vom Arbeitnehmerschutz zur Geschlechtergleichstellung

Das Konzept des Mutterschutzes hat deutlich tiefere historische Wurzeln als das des Vaterschutzes. Die ersten gesetzlichen Schritte in der Schweiz gehen auf das Fabrikgesetz von 1877 zurück, das Müttern eine achtwöchige „Ruhezeit“ gewährte, von der sechs Wochen auf die Geburt folgen mussten. Damals lag der Fokus ausschließlich auf dem Schutz der körperlichen Gesundheit von Müttern und Säuglingen, ohne Berücksichtigung der Rolle des Vaters oder der familiären Bindung.

Der internationale Kontext zeigt andernorts etwas fortschrittlichere Ansätze. Deutschland führte 1878 den gesetzlichen Schutz für Schwangere ein, Frankreich 1909 die Kündigungsschutzregelung für Mütter. Die Konferenz der Internationalen Arbeitsorganisation (ILO) in Washington 1919 markierte einen wichtigen Meilenstein, indem sie Schwangeren und jungen Müttern Anspruch auf finanzielle Unterstützung für bis zu zwölf Wochen gewährte. Die Schweiz lehnte die Ratifizierung jedoch 1921 ab.

Der philosophische Wandel von der reinen Betrachtung von Elternzeit als Gesundheitsschutz hin zu einem Instrument für Geschlechtergleichstellung und gemeinsame Elternschaft begann in den 1970er Jahren. Feministische Bewegungen stellten das traditionelle Modell des männlichen Ernährers in Frage, während die Forschung zunehmend die Bedeutung der Vater-Kind-Bindung für die frühkindliche Entwicklung hervorhob.

Die nordischen Vorreiter und die „Väterquote"

Schweden schrieb 1974 Geschichte, indem es als erstes Land eine geschlechtsneutrale Elternzeit einführte. Anfänglich erlaubte diese Regelung Familien, die Elternzeit nach eigenem Ermessen aufzuteilen, doch es kristallisierte sich ein Muster heraus: Mütter nahmen weiterhin den überwiegenden Teil der verfügbaren Urlaubstage in Anspruch. Dies führte 1995 zu einer bahnbrechenden Neuerung – der „Väterquote“ oder dem „Vatermonat“ – 30 Tage bezahlter Urlaub, die ausschließlich Vätern vorbehalten waren und nach dem Prinzip „Nutzen oder Verfallen“ verfielen.

Die Auswirkungen waren unmittelbar und tiefgreifend. Wie Abbildung 1 zeigt, stieg der Anteil der Männer an den Elternzeittagen in Schweden nach jeder Ausweitung der Väterquote deutlich an. Die Maßnahme schuf wirtschaftliche Anreize für Väter, Elternzeit zu nehmen, da Familien diese bezahlten Tage sonst verloren hätten. Ebenso wichtig war, dass sie dazu beitrug, das soziale Stigma abzubauen, das Männer aufgrund von Betreuungspflichten empfanden.

Norwegen ging einen ähnlichen Weg und führte 1993 eine eigene Väterquote ein. Beide Länder haben diese reservierten Zeiten im Laufe der Zeit schrittweise ausgeweitet. Dieses nordische Modell hat seither die Familienpolitik in ganz Europa beeinflusst und gezeigt, dass zweckgebundene, nicht übertragbare Elternzeit für Väter das Verhalten effektiv verändern kann, anstatt einfach darauf zu hoffen, dass geschlechtsneutrale Maßnahmen automatisch zu einer gleichberechtigten Inanspruchnahme führen.

Tabelle: Entwicklung der Väterzeit in den nordischen Ländern

Jahr Schweden Norwegen Auswirkung
1974 Einführung einer geschlechtsneutralen Elternzeit Geringe Inanspruchnahme durch Väter
1993 Einführung einer 4-wöchigen Väterquote
1995 Einführung des 30-tägigen „Vätermonats“ Steigerung der Inanspruchnahme durch Väter um 50 %
2002 Ausweitung auf 60 Tage Erhöhung der Quote
2016 Ausweitung auf 90 Tage Erhöhung der Quote Väteranteil erreicht 31 % in Schweden

Mutterschaftsurlaub 👧 in der Schweiz

Der breitere Kontext

Mutterschaftsurlaub: Die Grundlage

Um den Kontext des Vaterschaftsurlaubs in der Schweiz zu verstehen, muss man zunächst das etablierte System des Mutterschutzes kennen. Das Schweizer Recht sieht derzeit 14 Wochen Mutterschaftsurlaub für erwerbstätige Mütter vor, in der Regel mit 80 % Gehaltsersatz bis zu einem Höchstbetrag. Dieser Urlaub beinhaltet eine obligatorische Abwesenheit vom Arbeitsplatz, was die anhaltende Bedeutung der körperlichen Erholung nach der Geburt widerspiegelt.

Der Weg zur Etablierung dieses grundlegenden Schutzes war bemerkenswert lang. Obwohl die Mutterschaftsversicherung bereits 1945 in der Bundesverfassung verankert wurde, wurde sie erst 2004 in Kraft gesetzt. Diese jahrzehntelange Verzögerung verdeutlicht die hartnäckige Auffassung, dass Geburt und Familie primär Privatsache und nicht Gegenstand öffentlicher Politik seien.

Der politische Kampf um Familienpolitik

Die historische Entwicklung der Familienpolitik in der Schweiz offenbart unterschiedliche Auffassungen von gesellschaftlicher Verantwortung. Im gesamten 19. und einem Großteil des 20. Jahrhunderts galten Ehe und Familie als Privatsache, in der staatliche Eingriffe weitgehend unerwünscht waren. Die vorherrschende Ansicht war, dass es sich dabei um „natürliche Risiken“ handelte, die keinen besonderen sozialen Schutz erforderten – ein deutlicher Gegensatz zur Betrachtung von Alter oder Krankheit.

Die Debatte drehte sich oft um das Konzept des Familienlohns versus des individuellen Lohns. Konservative Kräfte befürworteten einen Familienlohn, der es Vätern ermöglichen sollte, ganze Haushalte zu ernähren, und damit implizit die Erwerbstätigkeit von Müttern unattraktiv machte. Gewerkschaften und Frauenorganisationen hingegen kämpften für gleichen Lohn unabhängig von Geschlecht und Familienstand, ergänzt durch separate Familienbeihilfen.

Diese philosophische Spannung prägt die Schweizer Familienpolitik bis heute: Manche sehen den erweiterten Vaterschaftsurlaub als unnötigen staatlichen Eingriff in private Familienentscheidungen, während andere ihn als unerlässlich für die Erreichung echter Geschlechtergleichstellung betrachten.

Wie die Schweiz 🇨🇭 im Vergleich zu anderen EU-Ländern abschneidet

Das europäische Spektrum

Im Vergleich zu seinen europäischen Nachbarn erscheint die Schweiz in Bezug auf Vaterschafts- und Elternzeit auffallend konservativ. Die Europäische Union hat Mindeststandards von 14 Wochen voll bezahltem Mutterschaftsurlaub festgelegt, die die Schweiz erfüllt. Viele Mitgliedstaaten gehen jedoch weit über diese Vorgabe hinaus und haben umfangreiche Regelungen zur Vaterschafts- und Elternzeit eingeführt.

Tabelle: Vergleich der Vaterschaftsurlaubsregelungen in Europa

Land Vaterschaftsurlaub Vergütung Zusätzliche Elternzeit
Schweiz 🇨🇭 2 Wochen 80 % des Gehalts, gedeckelt Keine bundesweite Regelung
Vereinigtes Königreich 🇬🇧 2 Wochen 187,18 £/Woche oder 90 % des Verdienstes, je nachdem, welcher Betrag niedriger ist Gemeinsame Elternzeit verfügbar, wird aber selten in Anspruch genommen
Frankreich 🇫🇷 4 Wochen Voll bezahlt
Spanien 🇪🇸 16 Wochen 100 % Gehalt Gleicher, nicht übertragbarer Urlaub für beide Elternteile
Schweden 🇸🇪 90 Tage pro Elternteil 80 % Gehalt für 390 Tage Insgesamt 480 Tage zur Aufteilung
Dänemark 🇩🇰 24 Wochen Variiert; volle Bezahlung möglich Wochen können zwischen den Elternteilen übertragen werden
Polen 🇵🇱 2 Wochen + 9 Wochen Elternzeit 100 % für Vaterschaftsurlaub, 70 % für Elternzeit Verfügbar bis zum 6. Lebensjahr des Kindes
Deutschland 🇩🇪 2 Wochen (ab 2024) Bezahlt

Wie die Tabelle zeigt, liegt die zweiwöchige Vaterschaftszeit in der Schweiz im europäischen Vergleich weit unten, insbesondere im Vergleich zu den nordischen Ländern, wo drei Monate oder mehr Vaterschaftsurlaub Standard sind.

Fallstudien zu fortschrittlicher Politik

Spanien liefert ein überzeugendes Beispiel für schnellen Wandel. 2007 führte Spanien zunächst eine bescheidene zweiwöchige Vaterschaftszeit ein, die seither jedoch deutlich ausgeweitet wurde. Seit 2021 erhalten beide Elternteile 16 Wochen voll bezahlten, nicht übertragbaren Urlaub. Dieser konsequente Ansatz hat die Vaterschaftszeit erfolgreich normalisiert. Ein Vater namens Octavio berichtete, dass seine vier Monate zu Hause bei seiner Tochter „einen enormen Unterschied“ für die Entwicklung einer starken Bindung ausgemacht haben.

Das nordische Modell, insbesondere Schweden, verdeutlicht die langfristigen Auswirkungen fortschrittlicher, vaterfreundlicher Politik. Schwedische Eltern haben insgesamt 480 Tage bezahlten Urlaub pro Kind, wobei 90 Tage ausschließlich jedem Elternteil zustehen. Obwohl die Verteilung weiterhin ungleich ist (Mütter nehmen 69 % der gesamten Urlaubstage in Anspruch), ist der Anteil der Väter seit Einführung der Quoten stetig gestiegen. Besonders wichtig ist, dass Studien zeigen, dass diese Maßnahmen die Geschlechterrollenbilder der nächsten Generation beeinflusst haben und junge Männer weniger stereotype Ansichten über Geschlechterrollen vertreten.

Die politische Landschaft der Schweiz 🇨🇭🗳️

Wird es sich in meinem Kanton weiterentwickeln?

Laufende Initiativen und Reformbemühungen

Die statische Schweizer Familienpolitik wird durch koordinierte Reformbemühungen in Frage gestellt. Eine Koalition aus linken und zentristischen Gruppen startete 2024 die Initiative „Eine starke Gesellschaft und Wirtschaft dank Elternzeit“ (Familienurlaubsinitiative), die eine grundlegende Reform vorsieht. Diese Initiative fordert die Ersetzung des aktuellen Systems durch 36 Wochen gemeinsame Elternzeit, wobei jedem Elternteil 18 Wochen zustehen. Das vorgeschlagene Modell sieht vor, dass Eltern bis zu einem Viertel ihrer Elternzeit gleichzeitig nehmen können und dass die Elternzeit bis zum zehnten Lebensjahr des Kindes flexibel genutzt werden kann.

Die Befürworter der Initiative führen neben sozialen auch wirtschaftliche Argumente an und behaupten, dass die Reform jährlich 2.500 zusätzliche Vollzeitstellen schaffen würde, da Mütter früher und häufiger in den Beruf zurückkehren. Sie schätzen, dass sich die Investitionen nach 20 Jahren durch höhere Steuereinnahmen und Sozialbeiträge amortisieren würden.

Die kantonale Variable

Für Schweizer Bürgerinnen und Bürger, die sich fragen: „Wird es das eines Tages auch in meinem Kanton geben?“, hängt die Antwort stark von der nationalen Politik und regionalen Entwicklungen ab. Das föderale System ermöglicht es progressiven Kantonen, großzügigere Regelungen für Beschäftigte im öffentlichen Dienst einzuführen, wie es Freiburg bereits getan hat. Sollte die nationale Initiative scheitern, könnte sich die Kluft zwischen Kantonen mit umfassenden Familienurlaubsregelungen und solchen, die am föderalen Mindeststandard festhalten, vergrößern.

Der Zeitplan für eine mögliche Änderung ist klar definiert: Die Befürworter haben bis zum 1. Oktober 2026 Zeit, die erforderlichen 100.000 Unterschriften für eine Volksabstimmung zu sammeln. Bei Erfolg hätten die Schweizer Wählerinnen und Wähler voraussichtlich 2027 oder 2028 das letzte Wort. Angesichts der Tradition der direkten Demokratie in der Schweiz würde das Ergebnis nicht nur von der Parlamentspolitik abhängen, sondern auch von einer nationalen Debatte über den Wert der frühen Vater-Kind-Bindung und der Gleichstellung der Geschlechter.

Praktische Auswirkungen 🇨🇭👨‍👩‍👧‍👦

Was das für Schweizer Familien bedeutet

Die Realität von zwei Wochen

Für werdende Väter in der Schweiz bietet die zweiwöchige Vaterschaftszeit sowohl Chancen als auch Herausforderungen. Viele Väter berichten, dass diese kurze Zeitspanne eine entscheidende Bindungszeit ermöglicht und Müttern in der unmittelbaren Zeit nach der Geburt wichtige Unterstützung bietet. Experten für kindliche Entwicklung weisen jedoch darauf hin, dass der Bedarf an Säuglingspflege weit über diese zwei Wochen hinausgeht und sich der Schlafrhythmus oft erst drei bis vier Monate nach der Geburt stabilisiert.

Die finanziellen Auswirkungen variieren je nach Einkommenshöhe erheblich. Die Höchstgrenze von 220 CHF pro Tag bedeutet, dass Väter mit höherem Einkommen effektiv einen geringeren Prozentsatz ihres regulären Gehalts erhalten, was einige möglicherweise davon abhält, die volle Vaterschaftszeit in Anspruch zu nehmen. In Familien, in denen der Vater deutlich mehr verdient als die Mutter, kann die wirtschaftliche Vernunft trotz der psychologischen und partnerschaftlichen Vorteile eine möglichst kurze Vaterschaftszeit gebieten.

Kreative Lösungen und Initiativen von Arbeitgebern

Im Rahmen der Vorgaben der Bundespolitik haben einige Schweizer Familien und Arbeitgeber kreative Lösungen entwickelt. Manche Väter kombinieren ihren Vaterschaftsurlaub mit Urlaub oder unbezahltem Urlaub, um mehr Zeit mit ihren Familien verbringen zu können. Andere verhandeln individuelle Vereinbarungen mit ihren Arbeitgebern, wobei diese Option jedoch überwiegend hochqualifizierten Fachkräften mit starker Verhandlungsposition vorbehalten bleibt.

Immer mehr multinationale Unternehmen mit Niederlassungen in der Schweiz bieten erweiterte Vaterschaftsleistungen an, die über das gesetzliche Minimum hinausgehen. Dadurch entsteht ein Zweiklassensystem, in dem die Angestellten großzügiger Unternehmen deutlich bessere Regelungen für den Familienurlaub genießen. Dieser unternehmerische Ansatz mag zwar für einige von Vorteil sein, schwächt aber möglicherweise den Druck für eine umfassende Reform der Familienpolitik, von der alle Schweizer Familien unabhängig vom Arbeitgeber profitieren würden.

Abschluss

Der Weg nach vorn

Die Schweiz steht in ihrer Haltung zum Vaterschaftsurlaub an einem Scheideweg. Die derzeitige zweiwöchige Regelung ist zwar ein Fortschritt gegenüber der Zeit ohne expliziten Vaterschaftsurlaub, hinkt aber deutlich europäischen Standards und dem modernen Verständnis von kindlicher Entwicklung und Geschlechtergleichstellung hinterher. Die entstehende Vielfalt kantonaler Initiativen und die bevorstehende Volksabstimmung deuten darauf hin, dass ein Wandel unausweichlich ist – die Frage ist nur, wie umfassend und wie schnell er erfolgen wird.

Die Schweizer Erfahrungen spiegeln die grundsätzlichen Spannungen in der Familienpolitik wider: Einerseits gilt es, private Familienentscheidungen zu respektieren, andererseits kann die öffentliche Politik soziale Veränderungen bewirken. Was als Schutz der Müttergesundheit beginnt, entwickelt sich zu einem Instrument zur Förderung der Geschlechtergleichstellung – zunächst auf dem Arbeitsmarkt und schließlich auch im häuslichen Umfeld. Die Erkenntnisse aus jahrzehntelangen europäischen Experimenten legen nahe, dass zweckgebundener, nicht übertragbarer Urlaub für Väter der effektivste Mechanismus ist, um eine tatsächliche Inanspruchnahme anstelle symbolischer Maßnahmen zu gewährleisten.

Für werdende Väter in der Schweiz ist die Situation heute von Einschränkungen und Möglichkeiten geprägt. Während die Bundesregelung nur ein kurzes Zeitfenster für geschützten Urlaub vorsieht, beginnen einzelne Arbeitgeber und fortschrittliche Kantone, diese Lücke zu schließen. Während die nationale Debatte weitergeht, hat die Schweiz die Chance, aus den Erfolgen und unbeabsichtigten Folgen anderer europäischer Modelle zu lernen und einen eigenen schweizerischen Ansatz zur Unterstützung moderner Familien zu entwickeln.

Der Weg zu einer umfassenden Elternzeit in der Schweiz ist mehr als eine politische Debatte – er spiegelt ein wachsendes Verständnis dafür wider, was Kinder brauchen, wie Partnerschaften aussehen können und wie Gesellschaften beides unterstützen und gleichzeitig wirtschaftlich erfolgreich sein können. Die kommenden Jahre werden zeigen, ob die Schweiz ihren vorsichtigen Kurs beibehält oder eine zukunftsweisende Vision von Vaterschaft im 21. Jahrhundert entwickelt.

Nachdem Sie erfahren haben, wie die Schweiz Familie und Work-Life-Balance neu definiert, werfen Sie einen Blick in unseren detaillierten Leitfaden zu Arbeitszeiten und kantonalen Abweichungen – oder in den vollständigen Schweizer Feiertagskalender für 2026 für Waadt, Tessin und weitere Kantone.